Nahezu jeder Mensch hat einmal Kontakt mit jemanden gehabt, der unter einer sogenannten Borderline-Störung leidet. Denn laut einer wissenschaftlichen Erhebung von Zimmermann aus dem Jahr 2011 sind etwa 1,5 bis 3 Prozent von einer derartigen Persönlichkeitsstörung betroffen. Demnach wäre dies knapp jeder 50. Mensch, der unter dieser Erkrankung leidet. Die Dunkelziffer könnte unter Umständen sogar noch höher sein.
„Ich glaube, dass die Borderline-Persönlichkeitsstörung eine der schwierigsten, aber auch eine der am meisten missverstandenen Störungen ist. Menschen mit Borderline sind nicht einfach schwierige Menschen; sie haben eine Schmerzgeschichte, die sie oft unsichtbar machen.“ – Marsha Linehan (Psychologin und Entwickler der Dialektisch-Behavioralen Therapie)
Doch was umfasst eine Borderline-Persönlichkeitsstörung überhaupt? Und warum stehen Borderline Lügen so im Vordergrund des Krankheitsbildes?
Was ist eine Borderline-Persönlichkeitsstörung?
Bei Borderline-Patienten handelt sich um Personen, die unter einer psychischen Erkrankung leiden. Doch wie wirkt sich diese aus? Einer der Hauptcharakteristika ist die mentale Instabilität. Vor allem im Bereich der Emotionen und der eigenen Selbstwahrnehmung. Aber auch der Aspekt der Vernachlässigung der sozialen Beziehungen leidet arg unter Borderline. Gefühlstechnische Schwankungen stehen an der Tagesordnung. Betroffene hinterfragen sich oft selbst als Person und sind sich in ihrer eigenen Identität unsicher. Diese Beeinträchtigungen schaden den Erkrankten sehr, so dass die Lebensqualität stark darunter leidet.
Borderline-Persönlichkeitsstörung in Zahlen
Thema | Statistik | Quelle |
---|---|---|
Prävalenz | 1,5–3 % der Bevölkerung | Zimmermann, P. et al. (2011), JAMA Psychiatry |
Stationäre Behandlung | 15 % der stationär behandelten Personen | Lieb, K. et al. (2004), Lancet |
Stationäre Behandlung | 20 % der Therapieplätze | Bender, D. S. & Skodol, A. E. (2001), American Journal of Psychiatry |
Sexueller Missbrauch in der Kindheit | 60–80 % der BPS-Patienten | Gunderson, J. G. et al. (2006), Psychiatric Clinics of North America |
Suizidrate | 5–10 % Suizidrate | Bateman, A. & Fonagy, P. (2008), Journal of the American Psychoanalytic Association |
Selbstverletzungsrate | 69–80 % haben Selbstverletzungen begangen | Bateman, A. & Fonagy, P. (2008), Journal of the American Psychoanalytic Association |
Suizidversuche | 60 % haben mindestens einmal versucht, sich das Leben zu nehmen | Paris, J. (2002), Journal of Clinical Psychiatry |
Genetische und traumatische Faktoren | 40–70 % betroffen durch Trauma | Johnson, J. G. et al. (2000), Journal of Clinical Psychiatry |
Geschlechterverhältnis | 75 % der Betroffenen sind Frauen | Torgersen, S. et al. (2000), Journal of Personality Disorders |
Wie wirkt sich eine instabile Psyche auf das Verhalten aus?
Eines der Hauptkrankheitsbilder einer Borderline-Erkrankung ist die emotionale Dysregulation. Diese wirkt sich unkalkulierbar auf das Gefühlsleben der betroffenen Person aus. Meist sind die Gefühlsausbrüche unkontrolliert und übermäßig. Für Unbetroffene ist das Verhalten natürlich besorgniserregend. Man kann die Erkrankten als emotional instabil bezeichnen. Gerade in Beziehungen ist das Verhalten für den Partner meist schwer einzuschätzen. Eine gewisse emotionale Intelligenz ist im Umgang mit Borderline-Patienten von Vorteil, da extreme Reaktionen emotionaler Natur besser zu händeln sind. Man muss sich in den Kopf des Gegenübers hineinversetzen, um gewisse Reaktionen und Verhaltungsweisen werten und abschätzen zu können. In den meisten Fällen sorgt ein solcher Verhalten allerdings für Stresssituationen in der Partnerschaft oder in Freundschaften.
Borderline-Erkrankte leiden selbst unter der Unkontrollierbarkeit ihrer Emotionen. Neben akuten Gefühlsausbrüchen haben sie auch das ständige Gefühl innerer Leere. Ergo kommt das Verlangen nach der Bestätigung von außen dazu. Sei es, um das eigene Ego zu stärken oder um Mitleid zu erzeugen. Symptome von Borderline-Patienten sind:
- Emotionale Dysregulation
- Instabile Beziehungen
- Hoher Grad an Impulsivität
- Starke Angst vor Zurückweisung
- Wutausbrüche
- Störung der eigenen Identität
- Paranoide Tendenzen
- Selbstverletzung
Warum das Selbstwertgefühl bei Borderline leidet
Eines der zentralen Merkmale einer Borderline-Persönlichkeitsstörung ist die enorme emotionale Dysregulation, die sich aber sehr unterschiedlich ausdrücken kann. Aber auch das eigene, sehr schwankende Selbstwertgefühl ist charakteristisch für BPS. Es ist meist die Angst vor Ablehnung, die es Betroffenen so schwer macht und für das Chaos sorgt. Die Angst für Ablehnung kann sogar als fundamental bezeichnet werden. So ist es auch diese Angst, die das Bedürfnis nach Bestätigung, aber auch Kontrolle, massiv verstärkt. Und hier tritt ein gewisser Teufelskreis ein. Denn aufgrund dessen fangen Betroffene an, ihr Umfeld zu manipulieren, um an die gewünschten Ziele zu kommen: Bestätigung, Anerkennung, Mitleid. Die Borderline Lügen nehmen einen hohen Stellenwert ein, da das Lügen für solche Personen Mittel zum Zweck ist. Die Borderline Lügen sind als Schutzmechanismus zu sehen. Gerade das Lügen ist für Außenstehende hochgradig gefährlich, jedoch unterschiedlich zu bewerten. Denn das Lügen von Borderline-Patienten ist nicht immer mit demselben Zweck verbunden.
Unterschiedliche Typen von Borderline Lügen
Viele Personen, die mit Leuten befreundet sind, die unter BPS leiden, behaupten, dass diese wie gedruckt lügen. An dieser These ist auch was dran. Problem bei Erkrankten Personen ist, dass das Lügen nicht als eine bewusste Art der Täuschung zu werten ist. Zumindest nicht zwingend. Die Borderline Lügen sind nämlich tief in der eigenen Psychologie verwurzelt und haben unterschiedliche Typen.
Impulsive Lügen
Leicht zu erkennen sind impulsive Lügen bei Borderline-Erkrankten. Wie der Begriff der Impulsivität schon sagt, sind derartige Lügen nicht geplant und kommen aus der Emotion heraus. Sie sind unkontrolliert und das macht es für Außenstehende auch so zu händeln. Das Lügen in dem Fall ist ein innerer Impuls der Person. Man könnte behaupten, dass es den Personen einfach überkommt. Zum Beispiel könnte ein Borderline-Erkrankter eine Geschichte lediglich erfinden, um aus einer unangenehmen Situation zu fliehen. Hier geht es um die Vermeidung von schlechten Gefühlen, die mit der sozialen Interaktion einhergehen. Man will schlichtweg nicht abgelehnt werden. Diese Borderline Lügen sind allerdings nicht geplant, sondern spontan. Eine bewusste Absicht ist der Person somit nicht zwingend zu unterstellen. Doch diese Form der Lügen gibt es auch.
Manipulative Lügen
Wesentlich schlimmer für das Umfeld sind die manipulativen Lügen. Ähnlich wie bei Narzissten geht es hierbei um Kontrolle. Hierbei kommt es zur bewussten Verzerrung von Wahrheiten. Im Gegensatz zum Narzissten aber nicht aufgrund maligner Gedanken. Es geht bei BPS eher darum, Konflikte zu vermeiden. Aber auch das Gefühl von Einsamkeit spiel eine große Rolle. Schnell driften Erkrankte in Angststörungen ab, die sie ein Leben lang begleiten können. Ständige Ängste, alles zu verlieren, nehmen natürlich großen negativen Einfluss auf das Leben. Um solche Situationen zu umgehen, gibt es eine solche „Selbstschutzstrategie“ der Borderline Lügen, um die eigenen zwischenmenschlichen Beziehungen zu steuern. Somit wird die Person vor einem emotionalen Schmerz geschützt.
Lügen aus Selbstschutz
Bei den Borderline Lügen aus Selbstschutz handelt es sich um den Schutz vor einer Ablehnung. Menschen, die unter einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leiden, haben eine akute Angst vor Zurückweisungen. Auch die Tatsache, dass gewissen Routinen einbrechen und Freundschaften verloren gehen, sorgt für eine massive emotionale Belastung. In dem Fall diesen solche Lügen nur dem Selbstschutz. Man will andere Personen, im Gegensatz zu den manipulativen Lügen, nicht täuschen. Vielmehr wollen die Betroffenen sich vor emotionalem Schmerz bewahren.
Wie wirken Borderline Lügen auf das soziale Leben?
Es ist nicht einfach mit Personen, die unter BPS leiden, im sozialen Kontext zu agieren. Befreundet oder gar in Partnerschaften macht eine derartige Erkrankung häufig akute Probleme, die sich drastisch auf der zwischenmenschlichen Ebene im negativen Sinne auswirken können. Vor allem die Lügen sorgen in solchen sozialen Beziehungen schnell zu Konflikten, die am Ende des Tages nicht mehr zu kitten sind. Wichtig ist hierbei, dass Partner und Freunde sich mit dem Krankheitsbild auskennen, um entgegenwirken zu können, oder um Situationen besser einschätzen zu können. Sonst kann eine Borderline-Persönlichkeitsstörung unmittelbar zur Beendigung derartiger Beziehungen führen.
Borderline Lügen führen zur Beendigung der Beziehung
Generell ist es schwer mit BPS umzugehen. Das gilt für Erkrankte wie auch für Freunde und Bekannte. Das ewige Lügen, oder das Nicht-Wissen, wann gelogen wird, führt unweigerlich zu Problemen. Je nach Härtegrad der Persönlichkeitsstörung kann das Vertrauensverhältnis stark belastet werden. Gerade in Beziehungen ist das Vertrauen ein hohes Gut, was gewahrt werden soll. Eine Beziehung ohne Vertrauen ist schlichtweg nicht möglich. Doch was macht man, wenn man weiß, dass man ständig belogen wird? Ständige Täuschung und Missverständnisse an der Tagesordnung stehen? Der Partner fühlt sich in solchen Situationen zurecht hintergangen. Und sobald das Vertrauen nachhaltig beschädigt ist, ist eine Eskalation und die baldige Beendigung der Beziehung nur eine Frage der Zeit.
Isolierung bei Borderline schadet Freundschaften
Auch in Freundschaften und beruflichen Beziehungen kann das Lügen zu schwerwiegenden Problemen führen. Menschen, die mit Borderline kämpfen, haben Schwierigkeiten, ihre Emotionen in sozialen und beruflichen Kontexten zu regulieren. Ihre Lügen können von anderen als Manipulation wahrgenommen werden, was zu Isolation und Konflikten führt. Wenn das Vertrauen in eine Person zerstört wird, ziehen sich andere Menschen häufig zurück, was die betroffene Person weiter in ihre inneren Konflikte vertiefen kann.
Warum lügt man bei einer Borderline-Störung?
Viele fragen sich, warum lügt man bei einer Borderline-Persönlichkeitsstörung? In erster Linie ist es wichtig, zu wissen, dass man bei BPS nicht aufgrund von Boshaftigkeit lügt. Es geht vielmehr aus dem tiefen Inneren heraus, meist unkontrolliert. Obwohl es diese drei verschiedenen Typen der Borderline Lügen gibt, sind diese Lügen meist impulsiv oder situativ.
- Schutz vor Ablehnung
- Impulsivität
- Instabiles Selbstbild
- Bewusste Strategie der Manipulation
- Selbstschutz vor Konsequenzen
- Wunsch nach Anerkennung
- Falsche Wahrnehmung der Realität
Wie kann man eine Borderline-Störung behandeln?
Behandlungsmethode | Beschreibung | Ziel der Methode |
---|---|---|
Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) | Fokussiert auf Emotionsregulation und Achtsamkeit | Verbesserung der Selbstwahrnehmung und Reduzierung impulsiver Verhaltensweisen |
Emotionsregulation | Übungen zur Erkennung und Kontrolle von Gefühlen | Unterstützung bei der Kontrolle von Ängsten und impulsiven Reaktionen |
Familien- und Paartherapie | Fokus auf die Verbesserung der Kommunikation | Stärkung des sozialen Netzwerks und der zwischenmenschlichen Beziehungen |
Stigmatisierung von Borderline-Patienten
Wer kennt es nicht? Die Stigmatisierung von bestimmten Personengruppen ist gerade bei Borderline-Patienten enorm. Eines der Hauptgründe ist natürlich das massive Lügen und ein äußerst impulsives Verhalten. Somit sehen sich viele Erkrankte dem Vorurteil ausgesetzt, notorische und manipulative Lügner zu sein. Doch diese pauschale Stigmatisierung ist nicht richtig. Man könnte sogar von einer Fehleinschätzung sprechen. Denn vieles geschieht nicht als Kalkül, sondern aus Angst und einer enormen Unsicherheit. Meist sind es emotionale Phasen der Betroffenen, die für dieses Verhalten verantwortlich sind. Der innere Konflikt bei BPS sorgt für eine tiefe Trauer der Personen, die sich meist nur mit solchen Verhaltensweisen zu helfen wissen. Außenstehende, die mit BPS-Patienten in Verbindung stehen, müssen lernen Trauer zu verstehen und somit auch die Maßnahmen des Selbstschutzes.
Sofern das Stigma des „Lügners“ einmal an Erkrankte haftet, könnten schwerwiegende Konsequenzen die Folge sein. So könnten sich Betroffene sozial Isolieren, was schnell zu einer allgemeinen Abwärtsspirale führen kann. Ängste gepaart mit der mentalen Instabilität sind keine gute Kombination. Viel wichtiger ist es für Borderline-Patienten, verstanden zu werden. Ein empathischer Umgang, der sicherlich für alle eine große Herausforderung darstellt, ist unabdingbar. Sonst können Ängste schnell verstärkt werden. Ebenso ist eine therapeutische Begleitung äußerst wichtig, damit auch BPS-Patienten lernen gut mit der Erkrankung umzugehen. Schließlich will man durch bestimmte Strategien gesunde Beziehungen aufbauen.