Kaum ein Genre hat in Deutschland in den letzten Jahren so viel Nachfrage erfahren wie der Horror. Vor allem Streaming-Dienste köderten Jahr für Jahr mit den nervenaufreibendsten Neuerscheinungen, um Kunden zu locken. Neben „Tarot – Tödliche Prophezeiung“, der bei Erscheinung direkt an die Spitze bei Netflix stürmte und „Der Schacht 2“, der aufgrund seines Vorgängers schon unzählige Streamer generierte, konnte „Im Wasser der Seine“ im Sommer 2024 sogar direkt den Rekord binnen weniger Tage als meistgeschaute nicht-englischsprachige Filme brechen. Ein Grund, warum Streaming-Anbieter sich gerne dem Genre widmen.
Der Härtegrad innerhalb der Nische nimmt stetig zu, da man immer noch eine Schüppe drauflegen will, um Zuschauer zu schocken und in den Bann zu ziehen. Einige Filme überschreiten dennoch gewisse Grenzen, so dass die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft sowie die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien gerne einmal Hand anlegen. Resultat sind gekürzte Filme oder gar Indizierungen. In diesem Fall werden Schnittberichte bei Horrorfilmen interessant, da diese für Fans der Filme einen vollständigen Einblick bieten. Doch was sind Schnittberichte, und warum werden diese gerade mit Horrorfilmen konnotiert?
Schnittberichte wecken die Neugier am Verbotenen
Ein Schnittbericht ist eine detaillierte Dokumentation, meist mit Bildern, von Filmen, die für das breite Publikum gekürzt worden sind. In diesen Schnittberichten werden die herausgeschnittenen Szenen gezeigt und dem Leser zugänglich gemacht. Ein Grund, warum Schnittberichte so beliebt sind, ist die Neugier am Verbotenen. Denn Schnittberichte entstehen nur, wenn etwas zu brutal oder grenzüberschreitend ist. Diese Kontroverse, gepaart mit der Beliebtheit von Horrorfilmen, sorgt bei Fans regelrecht für Hypes, sofern es wieder ein Film auf den Index geschafft hat. Der Horror prägt die Kultur und kreiert somit eine große Fangemeinde, und das mittlerweile sogar im Mainstream. Fans wollen ihre eigenen Grenzen ausloten und fühlen sich meist zurecht gestört, wenn ein Film der Zensur unterliegt. Der Blick auf die Schnittberichte, also genau die Stellen, die von den Prüfern herausgeschnitten worden sind, weckt natürlich das Interesse.
Ein gutes Beispiel einer Filmreihe, die beide Seiten, die harte Zensur sowie die lockere Leine, kennengelernt hat, ist Terrifier. Der B-Movie Slasher mit Art, dem Clown, hat schon früh mit dem ersten Teil einen Hype generiert. Eines der Gründe war mit Sicherheit die Abstrafung der Zensur, da der Film als zu blutig und gewaltverherrlichend galt. Schnell waren die Hinterhofgespräche über Schnittberichte des Horrorfilms angeregt. So kam es, dass trotz Zensur, die Preise für den Film für das erschienene Mediabook in die Höhe schnellten, da alle Varianten binnen kürzester zeit ausverkauft waren. Filmtechnisch hatte Terrifier seine Schwächen. Wenig Story und teils laienhafte Darsteller standen atemberaubender und unterhaltsamer Effekte gegenüber. Diese Effekte waren schlussendlich auch der Grund, warum der Film auf den Index landete und in Deutschland nur in zensierter Version zum Streamen auf Amazon Prime zur Verfügung stand.
Doch sechs Jahre später sollte sich dies mit der Fortsetzung ändern. Fans des Horrorgenres und der Filmreihe des mordlustigen Clows staunten nicht schlecht, als der Film auf Prime in der ungekürzten Fassung erschien. Wer jetzt denkt, dass Regisseur den Film für das breite Publikum weichgespült hat, irrt sich. Auch der zweite Teil hat hinsichtlich der Grausamkeiten einiges zu bieten. Die Beliebtheit fand im Jahr 2024 mit dem Erscheinen des dritten Teils vorerst seinen Höhepunkt. Dieser kam ebenfalls ungekürzt in die deutschen Kinos.
Warum werden Filme zensiert?
Die Frage, warum Filme, vor allem Horrorfilme, in Deutschland zensiert werden, stellen sich viele. Oftmals scheint es regelrechte Willkür zu sein. Auch der Fakt, dass man mit der Zensur Leute schützen will, macht nur bedingt Sinn. Schließlich geht es um volljährige Personen. Viele sehen dies als eine Art Bevormundung durch den Staat. Bei Horrorfilmen will man das Gefühl in seiner Gänze genießen, wie es der Regisseur beabsichtigt hat. Menschen gruseln sich gerne bei Filmen und sind natürlich von Zensur nicht angetan, da ein wichtiges Element des Films flöten geht.
Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien nimmt auf diese Wünsche jedoch wenig Rücksicht. Wobei man hier anmerken muss, dass in der heutigen Zeit, im Vergleich zu den 90er Jahren, wesentlich weniger Filme der Schere zum Opfer fallen. Früher war der Horrorfilm für die Bundesprüfstelle neues Terrain, so dass man es für notwendig hielt, hart durchzugreifen. Man sah eine massive Gefährdung und konnte potenzielle Auswirkungen von expliziten Gewaltdarstellungen nicht einschätzen. Heute hat man zumindest einen nüchternen Blick auf die Sachlage, so dass man Schmerzgrenzen wesentlich höher ansetzt.
Welche Filme sind in den Schnittberichten oft vertreten?
Wer sich Schnittberichte von Horrorfilmen anschaut, wird schnell feststellen, dass es primär um explizite Gewaltdarstellungen geht. Demnach finden sich dort meist Filme aus den Subgenres Torture, Terror oder ähnliches wieder. Aber auch einige Verfilmungen der Horror-Literatur von H.P. Lovecraft aus den 80er Jahren, wie zum Beispiel „Re-Animator“ und „From Beyond“ sind dort zu finden, wobei viele Filme im Nachgang vom Index heruntergenommen werden und auch ungekürzt erscheinen. Gerade bei Filmen aus den 80er Jahren, wo die Special-Effects alles andere als realistisch sind, gibt man schnell nach.
Moderne Filme, die zum einen Gewaltszenen realistisch darstellen und zum anderen ein bedenkliches Grundklima schaffen, werden weiterhin intensiv beäugt. So schaffte es der Film „The Human Centipede“ schnell auf den Index, was dafür sorgte, dass der Horrorstreifen überall im Gespräch war. Die Schnittberichte zum Film des menschlichen Tausendfüßlers waren äußerst detailliert. Auch dieser Film wäre unter Umständen nicht so präsent gewesen, wenn es diese Form der Zensur nicht gäbe. Regisseur Tom Six wird dies sicherlich gefallen haben, denn zwei Jahre später präsentierte er mit „The Human Centipede II (Full Sequence)“ einen würdigen Nachfolger, der den ersten Teil in den Schatten stellen sollte.